„Aktuelle Entwicklungen zum Thema GEBÄRDENSPRACHE in Baden-Württemberg“

Im Mai 2021 und im Oktober 2021 fanden zwei Fachgespräche statt, bei denen der BDH BW Gesprächspartner war.

Lesen Sie hier die beiden Protokolle in voller Länge:

 

Protokoll des Gespräches zum Thema „Begrifflichkeit HÖREN; Unterrichtsfach DGS in BW; Wahl(pflicht)fach DGS“

am 28. Mai 2021

mit

Hubert Haaga (KM)

Prof. Dr. Johannes Hennies (PH; Arbeitsgruppe Lehrplan-DGS BW)

Christiane Stöppler (BDH und Schule)

Markus Fertig (Landesverband der Gehörlosen; Arbeitsgruppe Lehrplan-DGS BW)

JuliaMartens-Wagner (Schule; Arbeitsgruppe Lehrplan-DGS BW; Arbeitsgruppe Antragstellung zu Wahlpflichtfach-DGS an die KMK)

1. Begrüßung, Einführung (Markus Fertig)

  • Ablauf der Besprechung (Zeitablauf, maximal eine Stunde)
  • Zusammenfassung LV GL BW bzgl. Schreiben an Frau Eisenmann 
  • Corona hat Situation der Gehörlosen gut wiedergespiegelt: Zunächst gab es wenige barrierefreie Informationen für Menschen mit Hörbehinderung in den Medien, dann wurde – auch auf Bitten des Landesverbandes BW - der Einsatz von Gebärdensprachdolmetscher*innen zunehmend selbstverständlich. Heute sind zeitnah viele Informationen in Gebärdensprache in den Medien verfügbar.
  • An den SBBZten in BW besteht der Wunsch nach einem Unterrichtsfach DGS (Deutsche Gebärdensprache) und mehr Unterstützung bei der Umsetzung.
  • Es wurde ein neuer Vorstand im Landesverband gewählt (Andreas Frucht, Annette Bach, und andere), Markus Fertig ist Beisitzer und vertritt den Landesverband heute beim Gespräch

2. Begrifflichkeit / PH Heidelberg (Johannes Hennies)

  • "Hörbehinderung" statt "Hörschädigung" Kurzer Vortrag mit Präsentation (ICF)
  • Aus Sicht der PH Heidelberg "Hörgeschädigtenpädagogik" Vergleich anderer Hochschulen in Deutschland. 
  • Die heutigen Begriffe Förderschwerpunkt Hören / Hörgeschädigtenpädagogik/ Berufsverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen / Hörgeschädigtenkunde etc. sind in den neunziger Jahren entstanden. Sie sind Resultat einer positiven Entwicklung weg von Formulierungen wie Schule für Hörgeschädigte, hörgeschädigte Menschen etc.
  • Innerhalb Deutschlands aber auch international haben sich die Begriffe jedoch seitdem weiter entwickelt: Heute Orientierung an ICF mit Körper und Funktion und an Teilhabe
  • Hören allein deutet nur auf Einschränkung hin
  • In Schulen wird oft noch Hörschädigung genannt, somit konzentriert man sich einseitig schon rein sprachlich auf den Schaden
  • Förderschwerpunkt ist schulrechtlicher Begriff
  • „Hören und Kommunikation“ scheint im Moment der am besten geeignetste Begriff
  • Ein Curriculumsentwurf für das Fach DGS an Schulen wurde in einer Arbeitsgruppe aller SBBZ Hören in den letzten 3 Jahren geschrieben, zunächst im Auftrag des KM; dann unter der Schirmherrschaft des BDH
  • Bachelor Studiengang „Gebärdensprache“ wird an der PH Heidelberg ab Herbst 2021 neu angeboten

3. BDH Baden-Württemberg (Christiane Stöppler)

  • Aus Sicht des BDH Landesverbandes (Vorstand, Arbeitsgruppe)
  • Vergleich anderer Landesverbände in Deutschland
  • Deutlicher Paradigmenwechsel in den letzten Jahren bezüglich Gebärdensprache.
  • Der zu suchende neue Begriff darf nicht zu allgemein, muss für alle erkennbar sein.
  • Allerdings ist es nach wie vor eine Herausforderung, eine geeignete Terminologie zu finden. Ein Dilemma ist, wenn das Thema der Hörbehinderung zu allgemein gefasst ist, dann erkennt das kein Mensch mehr. „Besondere Kommunikationsbedürfnisse“ haben sehr viele Menschen in allen möglichen Lebenslagen. Das beginnt bei Kummertelefon und Traumaberatung und endet bei Menschen mit schwerer Körperhinderung, die auf unterstützte Kommunikation angewiesen sind. Da ist die audiovisuelle Kommunikation schon zielführender, aber verbindet man das nicht mit Medien? Fernsehen, Telekommunikation etc.? Man muss den Begriff möglichst klar und eindeutig verstehen, damit man ihn selbstverständlich anwendet und dann auch die richtigen Kontexte im Internet (auch bei der Studienberatung) findet.
  • Ein Berufsverband vertritt in erster Linie die Interessen eines Berufsstandes.
  • Es ist auch ein Unterschied, ob der Förderschwerpunkt benannt wird oder der Studiengang oder die Institutionen. „Hören und Kommunikation“ ist immer noch besser, als nur „Hören“. In dem Zusammenhang verbindet man Kommunikation auch mit dem Thema audiovisuelle Kommunikation und nicht mit anderen Kommunikationsthemen. Audiopädagogik alleine ist zu einseitig. Das verbindet man mit Hörerziehung.
  • Zwei Bereiche: Pädagogik und Förderschwerpunkt (Auftrag bei Bildungsplan und Hörgeschädigtenkunde und so weiter)
  • Gespräch mit ZSL: Herrn Dr. Riecke-Baulecke zeigt Bereitschaft zur Zusammenarbeit an diesem Thema.
  • Baden-Württemberg ist in seiner Sichtweise so weit, dass es sichtbar werden muss.
  • Entwicklung an den SBBZten in BW (Julia Martens Wagner)
    • Ein Arbeitskreis aller SBBZ Hören trifft sich seit vielen Jahren regelmäßig mind. einmal im Jahr. Alle Schulen wünschen sich das etabliertes Unterrichtsfach -DGS, verankert in der Stundentafel. Die Vorbereitungen zur Umsetzungen sind in BW mit der Erstellung eines Curriculums für das Wahlpflichtfach DGS kurz vor dem Abschluss.
    • Die KMK berät zur Zeit über die Anerkennung von DGS als kompetenzorientiertes Wahl(pflicht)fach oder Wahlfaches für die Sekundarstufe 1. Hier wird mit einer Entscheidung noch in diesem Schuljahr (evtl. auch erst im Herbst) gerechnet.

  • Statement von Hubert Haaga
    • Bzgl. Begrifflichkeit wird Unterstützung in jeder Art und Weise von Seiten des KM zugesichert.
    • Beachtet werden muss, dass solche Veränderung oftmals einen Rattenschwanz nach sich ziehen; sofort tauchen viele Fragestellungen auf, die beantwortet werden müssen.
    • Der Landesverband wird auch ein Gespräch mit der neuen Kultusministerin führen wollen. Hier ist das KM bereit zu unterstützen und vorzubereiten.
    • Falls es zur Entscheidung der KMK bzgl. Wahlpflichtfach kommt, dann wird man weiteres Vorgehen am KM besprechen
    • Bzgl. Begrifflichkeit: Gesellschaft muss mitkommen und Begriff darf nicht zu technisch sein.

4. Austausch, Diskussion, 

  • Resümee
  • Vereinbarung für die nächsten Schritte.
    • Wie kann ein gemeinsames Vorgehen aussehen?
      • Brief an Ministerin von Markus Fertig nochmals herein geben.
      • Abwarten, was die KMK entscheidet, dann wird sich Vieles automatisch ändern.
      • Hennies: Die PH kann sich autonom umbenennen in HÖREN UND KOMMUNIKATION.
      • Die Schulen können sich umbenennen, wenn das Ministerium dies befürwortet.
      • Mit allen anderen Schwerpunkten sollte man diskutieren und eine gesamte weitere Entwicklung vorantreiben.
        • Hennies: Andere Förderschwerpunkte werden sich so schnell nicht lösen.
        • Haaga: Auf Begriff ‚Fördern‘ kann man eventuell verzichten, neu ist ja auch zum Beispiel ‚Lern- und Entwicklungsbegleitung‘, ‚Unterstützung‘
      • Was heißt das für die Inklusion, die demnächst eine größere Rolle spielen wird?
      • Frage: Gibt es bei der KMK Bemühungen zur Veränderung? (Haaga fragt nach)
      • Haaga: „Man weiß, mit eigener Sprache festigt man oder schließen auch aus. Der Zeitpunkt ist da, etwas zu ändern.“
    • Neuen Terminvereinbarung in derselben Konstellation von heute auf

Montag 11. Oktober 2021 um 11:00 Uhr

    • Das Kultusministerium vereinbart einen neuen Termin gemeinsam mit der Ministerin

 

 

Protokoll Gespräch „Begrifflichkeit HÖREN“ und „Lehrplan DGS“

am 11. Oktober 2021

mit

Hubert Haaga (KM)

Prof. Dr. Johannes Hennies (PH; Arbeitsgruppe Lehrplan-DGS BW)

Christiane Stöppler (BDH und Schule)

Markus Fertig (Landesverband der Gehörlosen; Arbeitsgruppe Lehrplan-DGS BW)

JuliaMartens-Wagner (Schule; Arbeitsgruppe Lehrplan-DGS BW; Arbeitsgruppe Antragstellung zu Wahlpflichtfach-DGS an die KMK)

Begrüßung, Einführung durch Markus Fertig

 

Top 1 Begrifflichkeit „Hören“ - Umbenennungen

Die pädagogische Hochschule hat sich bereits dazu entschlossen, ihr Fach Hörbehindertenpädagogik umzubenennen in  „Hören und Kommunikation“.
Ebenso ist daran gedacht, den Studiengang umzubenennen  Dies geschieht wahrscheinlich zu einem späteren Zeitpunkt, da es einen größeren Aufwand bedarf.

Eine Reduzierung von „Förderschwerpunkt“ auf „Schwerpunkt“ benötigt noch viel Zeit und Diskussion und muss zunächst auf die KM-Ebene gebracht werden. Herr Haaga macht daher den Vorschlag, die Fragestellung der Umbenennung auf „Hören und Kommunikation„ in die KMK einzubringen. Hier müssen alle anderen Förderschwerpunkte mitarbeiten und auch die Behindertenverbände eingebunden werden. Ebenso zieht das Thema Inklusion wieder an muss daher ebenfalls berücksichtigt werden. Ob dies bis 2022 entschieden wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Frau Stöppler begrüßt die Änderung in der Benennung an der PH und würde ebenso die Änderung für die Schulen befürworten. Auch in der bevorstehenden BDH- Bundesvorstandssitzung am 19. November 2021 wird dies thematisiert. Hier geht es zusätzlich um die evtl. Umbenennung des Verbandsnamen, da „Berufsverband Deutscher Hörgeschädigtenpädagogen“ in vielerlei Hinsicht nicht mehr zeitgemäß ist.

Herr Haaga wünscht, dass das BDH-Papier an das Kultusministerium geschickt
und auch auf Landesverbandsebene besprochen wird.
Um den Förderschwerpunkte umzubenennen wird evtl. eine Schulgesetzänderung notwendig werden. Man könnte vorerst in anderen Bundesländern schauen, ob dort eine Schulgesetzänderung notwendig war.

Herr Fertig betont, dass die Aufklärung bei Gehörlosen und Gehörlosenverbänden wichtig bleibt und spricht sich dafür aus, dass der Zusatz „Förder“ wegfällt.

Herr Haaga wendet ein, dass es eigentlich nicht zur Philosophie von Bildung und Individueller Lern - und Entwicklungsbegleitung passt. Wenn man den Zusatz „Förder“ weglässt, dann ist man im Bereich der allgemeinen Schule.

Frau Stöppler merkt an, dass dieses Thema schon in der KMK angekommen ist. Sie geht von einer eventuellen Änderung in „sonderpädagogischen Schwerpunkt“ oder „Bildungsschwerpunkt“ aus.

 

Top 2  DGS-Lehrplan

Der Kontakt zur neuen Bildungsministerin Frau Schopper hat, gezeigt, dass hier Interesse am Thema DGS besteht. Dennoch müsste man ihr das Thema DGS noch einmal aufbereiten. 

Um alle notwendigen Fragen zu diesem Konzept zu beantworten, bedarf es zum Beispiel eines Präsenztermins zu den Themen Fortbildung, Dolmetschen, Pilotprojekte, Curriculum etc.

Prof. Hennies berichtet, dass bereits eine Arbeitsgruppe innerhalb der Schulleiter*innen der SBBZ besteht und, dass der Lehrplan-DGS bereits so gut wie fertig gestellt ist und somit ein schulinternenes Curriculum vorhanden ist.

Herr Haaga betont, dass auch dieser Prozess gemeinsam mit dem ZSL besprochen und koordiniert werden sollte, zum Beispiel durch eine Präsenzveranstaltung gemeinsam mit den Schulleitern und dem ZSL.

Herr Fertig bittet in diesem Zusammenhang darum, die Gehörlosen mit in diesen Prozess einzubeziehen. Diese erwarten im übrigen eine schnelle Veränderung. Herr Fertig wird gebeten, die Rolle in Personalunion zu übernehmen.

Der BDH hat bereits mit Herrn Dr. Riecke-Baulecke (Präsident des ZSL) kontaktiert. Dieser wird am Fachtag des BDH am 3. Dezember 2021 ebenfalls das Thema DGS  unterstützen. Hiermit sei auch Herr Haaga herzlich eingeladen, ein Grußwort am Fachtag zu sprechen. Auch an diesem Fachtag soll eine Arbeitsgruppe initiiert werden.

Frau Martens-Wagner spricht nochmals die bereits erwähnte Möglichkeit eines Pilotprojekts an. Ihrer Meinung nach besteht an den SBBZ Hören und Sprache weiterhin Verbesserungsbedarf. Bisher gibt es dort vereinzelt engagierte Kolleginnen und Kollegen, die DGS im Unterricht einsetzen. All das auf freiwilligen Basis. Hier sollte zunächst  die Etablierung von DGS in der Stundentafel erfolgen. Bisher integriert jedes SBBZ Hören nach eigenem Ermessen die DGS-Stunden in die Kontingentstundentafel. Und auch die DGS-Lehrer*innen an den SBBZ benötigen weiterhin sowohl Fortbildungen/ DGS-Kurse als auch Unterrichtsmaterial. Für letzteres besteht bereits ein Entwurf eines Bildungsplans DGS für Baden-Württemberg.

 

Weitere Fragestellungen:

  • Es muss überlegt werden, ob der Lehrplan-DGS an allen SBBZ-Hören gleichzeitig eingeführt werden soll. Oder ob sich hier evtl. die reinen SBBZ Hören anbieten.
  • Wer setzt dies um? Wer bringt die Fähigkeiten mit, dieses Fach zu unterrichten?

Es könnten Gebärdensprachdozenten (wie beispielsweise in Winnenden) eingesetzt werden.
Herr Hennies merkt an, dass ein paar Student*innen gibt, die durch die PH in Heidelberg gut ausgebildet sind, diese aber zahlenmäßig nicht ausreichen. Zusätzlich gibt es Muttersprachler, denen nur noch die Didaktik fehlt und diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die bereits DGS unterrichten.
Ein systematische Aufbau wäre hier wünschenswert.

 

Ergebnis:

  • Zunächst muss die KMK Entscheidung abgewartet werden.
  • Das Thema muss in der Schulverwaltung transparent gemacht werden.
  • Qualifizierungsmaßnahmen müssen initiiert werden oder diese in der Ausbildung verankert werden.
  • Der vorgeschlagene Veranstaltungstermin in Präsenz sollte nicht zu weit nach hinten geschoben werden.
  • Herr Haaga lädt vom KM aus zu einer Besprechung im Januar oder Februar 2022 ein.
  • Es müssen an dieser Besprechung viele Stränge zusammengeführt werden.
  • Das KM muss wissen, um was es geht, bevor es Entscheidungen trifft.
  • Ein offizieller Auftrag zur Weiterarbeit der Arbeitsgruppe (mit Ermäßigungsstunden etc.) durch das KM wird ausdrücklich gewünscht.

 

  • Terminvereinbarung: 9. Februar von 13:30 Uhr bis 17:30 Uhr (auf Einladung vom KM)